unser Tipp: Die Zacke - Stuttgarts Zahnradbahn - zwischen Marienplatz und Degerloch seit 1884

Manche sagen, Stuttgart besitze die Bahn mit Deutschlands schönster Aussicht. 

Eine Aussichtsplattform, die fahren kann             
Wie man eine Leiter hinaufklettert, weiß jeder. Die Zahnradbahn macht es nicht anders: Wie der Frosch auf der Leiter erklimmt sie die Höhe. Die "Leiter" ist die Zahnstange zwischen den Schienen. Die in Stuttgart ursprünglich verwendete Bauart heißt deshalb auch Leiterzahnstange. Und die „Hände“, welche in die "Sprossen" der Leiter eingreifen, sind die breiten Noppen auf dem Zahnrad unter dem Wagen.

"Cog-railway", also Zahn-Eisenbahn, sagen deshalb auch die Amerikaner; "Rack-railway" – die Bahn mit dem Gleis, das wie ein Rechen aussieht – die Engländer. Die Stuttgarter nennen sie einfach die "Zacke", auf gut schwäbisch sogar "Zacketse". Und sie mögen ihre schiefe Bahn innig, auch wenn sie das nicht offen zugeben.

Englische Erfindung

Erfunden wurde das Verkehrsmittel Zahnradbahn sozusagen irrtümlich. Die ersten Zahnstangenlokomotiven Anfang des 19. Jahrhunderts fuhren nicht etwa am Berg, sondern auf der Ebene. Weil die flachen, spröden Eisenschienen nicht viel aushielten, waren die Dampfloks sehr leicht gebaut – sie zogen nicht viel und drehten rasch durch. So musste ein Hilfsmittel her: die Zahnstange, in die (damals) versuchsweise eine komplizierte Mechanik aus langen Stangen, eisernen Füßen ähnlich, seitlich neben dem Gleiseingriff. Der britische Ingenieur John Blenkinsop ließ sich anno 1812 die erste Lokomotive mit dem namensgebenden Zahnrad patentieren. Als dann jedoch die schwere Stahlschiene eingeführt wurde, brauchte die normale Eisenbahn keine Zahnstange mehr. So waren die ersten Zahnradloks rasch vergessen.

Erst als Mitte des 19. Jahrhunderts eine völlig neue Branche aufkam – der Tourismus – baute der Amerikaner Sylvester Marsh1869 die weltweit erste Berg-Zahnradbahn: auf den Mount Washington in den USA. Dies war die Initialzündung: Innerhalb der nächsten zehn Jahre entstanden vor allem in Europa vielerorts Zahnradbahnen zur touristischen Erschließung derm Bergwelt. Deutschlands erste Zahnradbahn von 1876 fuhr in Württemberg und diente gewöhnlicheren Zwecken: Sie beförderte Eisenerz vom Bergwerk Tiefer Stollen zur königlichen Gießerei Wasseralfingen bei Aalen. 1883 folgte die Drachenfelsbahn zu Königswinter, Deutschlands erste öffentliche Zahnradbahn.

Die Anfänge

Die Stuttgarter Zahnradbahn fährt seit 1884. Sie diente vor allem als "Arbeiterbahn" von den Filderorten in die "Residenz". Außerdem beförderte sie Feldfrüchte und Milchkannen zum Markt und Baustoffe in die aufstrebende Landeshauptstadt. Damit wurde – wenn auch mühsam – Geld verdient, und so hat sie nicht der Staat erbaut, sondern zwei Unternehmer: Emil Kessler, Gründer der Maschinenfabrik Esslingen, und Karl Kühner, Ziegeleibesitzer aus Degerloch. Kesslers Fabrik als "Systemhaus" lieferte alles aus einer Hand – die aufwändigen Gleisanlagen, die raffinierten Lokomotiven und die dazugehörigen Wagen. Immerhin war "Esslingen" der weltweit zweitgrößte Hersteller von Zahnradbahnen.

Heute gehört Stuttgarts Zahnradbahn zu den vier letzten ihrer Art in Deutschland – neben der Drachenfels-, der Zugspitz- und der Wendelsteinbahn. Und sie ist die einzige davon, die dem täglichen Alltagsbetrieb einer Großstadt dient und "für ein Taschengeld" befahren werden kann. Die prächtige Aussicht ist dennoch "im Preis drin" – und das ganze Jahr ein Erlebnis! 


Kommentare